Diabetologie » Komorbiditäten von Diabetes

»

Geschlechterspezifische Unterschiede bei mikro- und makrovaskulären Diabetes-Komplikationen

Geschlechterspezifische Unterschiede bei mikro- und makrovaskulären Diabetes-Komplikationen

Fachartikel

Diabetologie

Komorbiditäten von Diabetes

mgo medizin

mgo medizin

Autor

4 MIN

Erschienen in: diabetes heute

Diabetes mellitus führt bei Betroffenen oft zu vielfältigen und weitreichenden Komplikationen im mikro- und makrovaskulären Bereich. Dazu zählen unter anderem der Verlust des Augenlichts, Amputationen, Nierenversagen, Myokardinfarkt. Global steigt die Prävalenz von Diabetes
immer weiter an. 2045 wird ein Zahlen von 783 Million Betroffenen prognostiziert [1].
Die Prävalenz weltweit zeigt keine Unterschiede zwischen Männern (8,9 %) und Frauen (8,4 %) [2]. Die Inzidenz und Progression diabetes-bedingter Komplikationen scheint sich jedoch zwischen den Geschlechtern zu unterscheiden. Bekannt ist, dass das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ist höhere bei Männern mit Diabetes [3]. Es gibt aber nur wenige Erkenntnisse zu mikrovaskulären Ereignissen bei Diabetes-Betroffenen sowie zu geschlechterspezifischen Auswirkungen der Diabetesdauer auf bestimmte Komplikationen.

In der vorliegenden prospektiven Kohortenstudie wurden Daten der „45 and Up“-Studie aus Australien verwendet. Die 25.713 Teilnehmenden lebten zwischen 2005 und 2009 in New South Wales (Australien), waren über 45 Jahre alt, hatten Diabetes und waren nahezu gleichverteilt hinsichtlich des Geschlechts (57 % männlich). Des Weiteren wurde die Dauer der Diabeteserkrankung erhoben und in zwei Kategorien eingeteilt: < 10 Jahre und ≥ 10 Jahre. Die diabetes-assoziierten Komplikationen wurden innerhalb der Studien anhand der dokumentierten Krankenhausaufenthalte (Admitted Patient Data Collection, APDC) sowie ambulanten spezifischen Behandlungen bestimmt und in vier Gruppen unterteilt:

  • Kardiovaskuläre Komplikationen: TIA (transient isschaemic attack), ischämische Herzerkrankung, Schlaganfall, diabetische Kardiomyopathie
  • Augen-Komplikationen: ophthalmologische Komplikationen jeder Art, Katarakt, diabetische Retinopathie
  • Komplikationen an den unteren Extremitäten: periphere Neuropathie, Ulcera, Zellulite, Charcot-Fuß, Osteomyelitis, periphere vaskuläre
    Erkrankungen, Amputationen Nieren-Komplikationen: akutes und unspezifisches Nierenversagen, chronische Nierenerkrankungen,
    Dialyse und Transplantation

Die Ergebnisse (▼) wurden in altersbereinigten Inzidenzraten pro 1000 Personenjahre angegeben, basierend auf der gefährdeten Subpopulation
(Zeit bis zum ersten Ereignis, Tod oder Ende der Nachbeobachtungszeit). Der Datensatz der „45 and Up“-Studie enthielt 267.357 Teilnehmende. Für die vorliegende Studie wurden daraus 25.713 Teilnehmende mit folgendem Profil ausgewählt:

  • Altersklasse: Ungefähr die Hälfte der Kohorte war 60–74 Jahre alt. In der Altersklasse 45–59 Jahre waren mehr Frauen (27,7 % vs 23 %).
  • Sozialstatus: Teilnehmende Männer hatten tendenziell einen höheren Bildungsabschluss und vermehrt eine private Krankenversicherung.
  • Vorerkrankungen/Gesundheitsstatus: Teilnehmende Männer waren meist übergewichtig (38,7 % vs 27,8 %) und litten öfters bereits an Herzerkrankungen.
  • Raucherstatus: Zum Zeitpunkt der Studien waren ähnliche Anteile beider Geschlechter Raucher, aber der Anteil an männlichen Ex-Rauchern war höher (51 % vs 29 %).
  • Diabetesdauer: Bei 75 % der Teilnehmenden war das Alter bei Diagnose bekannt. 58 % wussten seit weniger als 10 Jahren von der Erkrankung und 42 % litten bereits seit mehr als 10 Jahren an Diabetes mellitus.

Die Ergebnisse der Kohorten Studie sind in der Grafik dargestellt (▼).

Männer mit Diabetes haben ein signifikant höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Nieren- und Komplikationen an den unteren Extremitäten im Vergleich zu Frauen. Bezüglich der kardiovaskulären Erkrankungen geben die Forschenden zu Bedenken, dass Männer im Allgemeinen, unabhängig von einem vorliegenden Diabetes, mehr kardiovaskuläre Risikofaktoren – wie höherer BMI, größerer Taillenumfang sowie höherer Blutdruck – aufweisen. Bei Augenkomplikationen ist das Risiko für Männer leicht erhöht, insbesondere für diabetische Retinopathie, während Frauen ein höheres Risiko für Katarakte haben. Diese Unterschiede bestehen unabhängig von der Diabetesdauer. Keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestanden bei den Risiken für periphere Neuropathien, Ulcera und Cellulite. Dagegen war das Risiko für periphere vaskuläre Erkrankungen bei Männern doppelt so hoch gegenüber dem der Teilnehmerinnen.
Die hohen Komplikationsraten bei beiden Geschlechtern betonen die Notwendigkeit gezielter Vorsorge- und Präventionsmaßnahmen ab der Diabetes-Diagnose. In Zukunft könnten, anhand solcher Studienergebnisse, bestimmte Prioritäten bei der Behandlung von Diabetes sowie gezielte Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden. Es gilt die Unterschiede weiter zu beobachten, da bspw. Frauen erst im höheren Alter kardiovaskuläre Erkrankungen entwickeln. Das könnte die Statistiken verändern.

Autorin: Birgit Schulze

Schlagworte zu diesem Beitrag

Ein Beitrag von

mgo medizin

mgo medizin

Autor

Autor des Beitrags

Weitere Beiträge zu diesem Thema

älteres Ehepaar gehen im Winter über eine schneebedeckte Brücke

Diabetes im Winter: Was Praxisteams jetzt beachten sollten

News

In den Wintermonaten stehen Menschen mit Diabetes vor besonderen Herausforderungen. Kälte, schwankende Temperaturen und häufigere Infekte können den Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht bringen und das Diabetesmanagement erschweren. Diabetologinnen und Diabetologen ...

Diabetologie

Typ-1-Diabetes

Beitrag lesen
Laborröhrchen mit Blut und der Aufschrift oGTT

Früherkennung von Typ-2-Diabetes: Der unterschätzte 1h-OGTT-Wert

News

Aktuelle Forschungsergebnisse aus Tübingen, Helmholtz Munich und dem DZD zeigen: Der Ein-Stunden-Blutzuckerwert im OGTT identifiziert besonders effektiv Risikopatienten für Typ-2-Diabetes – und eröffnet neue Chancen für die gezielte Prävention in ...

Diabetologie

Typ-2-Diabetes

Beitrag lesen
verschiedene Hände liegen übereinander

DANK-Forderung nach Public-Health-Strategie

Berufspolitik

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) lud auf dem DDG-Kongress Ende Mai in Berlin zu einem Symposium mit dem Titel „Die neue Bundesregierung: Neustart oder Handbremse für die Präventionspolitik in ...

Diabetologie

Sonstiges

Beitrag lesen