Aktuell wurde die S1-Leitlinie „Zerebrale Vaskulitis und zerebrale Beteiligung bei systemischen Vaskulitiden und rheumatischen Grunderkrankungen“ unter Federführung von Prof. Dr. Markus Krämer, Essen, und Prof. Dr. Peter Berlit, Berlin, umfassend überarbeitet und publiziert. Neben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) waren die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh), die Österreichische Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und die Schweizerische Neurologische Gesellschaft (SNG) an der Erstellung dieser Leitlinie beteiligt. Insbesondere im Bereich der Therapie hat sich viel getan – auch in Zukunft können innovative Behandlungsansätze erwartet werden.
Vaskulitiden hirnversorgender Gefäße stellen eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung dar, deren Diagnostik und Therapie Neurologinnen und Neurologen sowie das interdisziplinäre Behandlerteam herausfordern. Bei der ZNS-Vaskulitis sowie den verschiedenen systemischen Vaskulitiden mit ZNS-Beteiligung kann der Ausschluss von Differentialdiagnosen im Einzelfall schwierigsein. Eine hohe diagnostische Sicherheit ist jedoch aufgrund möglicher Nebenwirkungen der erforderlichenimmunsuppressiven Therapieunabdinglich. Bei der Diagnostik kommen bildgebende Verfahren, laborchemische Befunde und histologische Untersuchungen zum Einsatz, bei der Riesenzellarteriitis (RZE) spielt auch die Ultraschalldiagnostik eine wichtige Rolle.
Differenzialdiagnostisch muss insbesondere bei den Kleingefäßvaskulitiden an das Auftreten im Zusammenhang mit Infektionen (Retrovirus-assoziiert, bei chronischen Hepatitiden mit oder ohne Kryoglobulinämie, und postinfektiös bei Borreliose, VZV, SARS-CoV-2 oder Zytomegalie) gedacht werden.
Wichtigste Differenzialdiagnose der primären Angiitis des ZNS (PACNS) ist das reversible Vasokonstriktionssyndrom (reversible cerebral vasoconstriction syndrome, RCVS). „Vaskulitis-typische“ angiographische Veränderungen sind bei diesem Krankheitsbild sogar häufiger als bei der PACNS, im Gegensatz zur PACNS bilden sich die Gefäßveränderungen aber in der Regel innerhalb von drei Monaten komplett zurück.
Für die Abgrenzung von zerebralen MS-artigen Läsionen beim Sjögren-Syndrom empfiehlt die Leitlinie das „central vein sign“, einen für die MS typischen MRT-Marker.
Während prospektive Studien zur Therapie der ZNS-Vaskulitiden derzeit noch fehlen, ist die Datenlage zu systemischen Vaskulitiden mit ZNS- und PNS-Beteiligung deutlich besser. Zur Therapie von ANCA-assoziierten Vaskulitiden liegen aktuelle nationale und internationale Therapieempfehlungen vor. Neu ist, dass Rituximab (RTX) bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden in der Induktionstherapie ebenso wirksam wie Cyclophosphamid (CYC) und in der Erhaltungstherapie wirksamer als Azathioprin (AZA). RTX wird zunehmend auch bei der PACNS bevorzugt eingesetzt, obwohl hierzu noch keine gesicherte Evidenz vorliegt.
Generell hat sich das Therapiespektrum bei vielen Vaskulitiden durch neue Medikamente erweitert: Eine Anti-Interleukin (IL)-5-Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Mepolizumab zeigte in einer randomisiert-kontrollierten Phase-3-Studie bei Rezidiv oder therapierefraktärem Verlauf einer Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) erfolgversprechende Ergebnisse bezüglich Remissionsinduktion, Steroiddosiseinsparung und Rezidivprophylaxe. Bei Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) und mikroskopischer Polyangiitis (MPA) wurde neu der Komplement C5-Rezeptorantagonist Avacopan in Kombination mit RTX oder CYC zur Remissionsinduktion zugelassen. Er ermöglicht eine Einsparung von Glukokortikoiden und verbessert die Nierenfunktion bei renaler Beteiligung.
„Die Forschung ist hochaktiv und bringt kontinuierlich neue Wirkstoffe und Therapieprinzipien hervor. Ziel der modernen Immuntherapien ist die Kontrolle der Krankheitsaktivität bei möglichst günstigem Nebenwirkungsprofil“ erklärt Leitlinienautor und DGN-Generalssekretär Prof. Dr. Peter Berlit.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
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