Im Rahmen des DGN-Kongresses werden auch Erkrankungen jenseits der neurologischen Hauptdiagnosen wissenschaftlich präsentiert und diskutiert. So zum Beispiel seltene Entitäten wie hereditäre spastische Paraparesen und mitochondriale Erkrankungen.
Die hereditäre spastische Paraparese (HSP) ist eine Gruppe vererbter neurodegenerativer Erkrankungen, die das obere Motoneuron betreffen. Als klinisches Hauptmerkmal gelten zunehmende spastische Lähmungen vor allem der unteren Extremität, erläuterte Prof. Dr. med. Rebecca Schüle, Heidelberg. Es gebe eine große Bandbreite an Ausprägung und Schweregrad der Erkrankung. Die Koordinatorin des TreatHSP.net-Konsortiums erklärte, dass für eine adäquate Therapie eine molekulare Diagnostik benötigt werde – die Genetik werde aktuell immer unübersichtlicher. Die Gendefekte, die zu einer HSP führen, werden mit der Abkürzung SPG („spastic gait gene“) bezeichnet.
Die Therapie der HSP ist derzeit noch symptomatisch orientiert: „Das Wirksamste, dass uns aktuell zur Verfügung steht, ist die Physiotherapie“, so Schüle. Hinzu kämen antispastische Behandlungen. Erste kausale Therapieansätze sind derzeit in der klinischen Erprobung (Phase III). In diesem Zusammenhang wies die Expertin darauf hin, dass es wie bei so vielen anderen sehr seltenen Erkrankungen privater Initiative von Betroffenen bedarf, um die Forschung anzustoßen und voranzubringen. Die Tools seien alle vorhanden, doch die Vielzahl der Erkrankungen sei eine Herausforderung.
In ihrer Gesamtheit seien mitochondriale Erkrankungen mit einer Prävalenz von 1:5.000 gar nicht so selten, jedoch seien mehr als 400 unterschiedliche Gene assoziiert, führte Prof. Dr. med. Thomas Klopstock, München, aus. Klinisch kann jedes Gewebe oder Organ betroffen sein. Bei mitochondrialen Erkrankungen habe laut dem Experten die therapeutische Ära begonnen: Bei der chronisch-progressiven externen Ophthalmoplegie (CPEO) sei man bei krankheitsmodifizierenden Ansätzen noch ganz am Anfang: Eine klinische Phase-III-Studie habe aktuell leider negative Ergebnisse gezeigt. Auch beim MELAS-Syndrom (Mitochondriale Enzephalomyopathie, Laktatazidose und schlaganfallähnliche Episoden) ist bislang keine kausale Therapie verfügbar. „Eine anti-epileptische Therapie ist hier das A und O, da epileptische Anfälle die schlaganfallähnlichen Episoden begünstigen“, so Klopstock.
Die Hereditäre Leber-Optikus-Neuropathie (LHON) ist eine klassisch maternal vererbte Erkrankung, die sich häufiger bei Männern manifestiert. Östrogen scheine hier ein protektiver Faktor zu sein, meinte Klopstock. Die charakteristische Symptomatik besteht aus einer das zentrale Gesichtsfeld betreffenden Visusminderung. Seit 2015 ist Idebenon für die LHON-Therapie zugelassen. Gentherapeutische Ansätze mit adenoassoziierten Viren-Vektoren befinden sich in Phase III der klinischen Prüfung.
Martha-Luise Storre
Quelle: Wissenschaftliches Symposium „Seltene neurologische Erkrankungen und ihre Therapie“ im Rahmen des DGN-Kongresses am 10. November 2023 in Berlin
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