Nachdem lange die PET-angepasste Kombinationschemotherapie als Standardbehandlung des klassischen Hodgkin-Lymphoms galt, folgte das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Brentuximab Vedotin. Während des ASCO 2023 wurde in der gestrigen Plenarsitzung eine Studie vorgestellt, die stark für die PD-1-Blockade mit Nivolumab spricht.
Eine PET-adaptierte Chemotherapie war lange der Therapiestandard für fortgeschrittene klassische Hodgkin Lymphome (cHL). Auf der ganzen Welt werden die Therapien von Erwachsenen und Kindern unterschiedlich gehandhabt. So werden noch ca. 55–60 % der pädiatrischen Patienten bestrahlt. Für eine große Population junger Patienten sind deshalb späte toxische Effekte der Therapie ein Problem.
Die Einbeziehung des Antikörper-Wirkstoff-Konjugats Brentuximab-Vedotin (BV) verbesserte sowohl für Erwachsen als auch für Kinder die Therapieresultate. Trotzdem kommt es häufig zu Rückfällen, und durch BV kommt es zu zusätzlicher Toxizität. Die Therapie von Erwachsenen und Kindern sind immer noch unterschiedlich, und eine Großzahl der Kinder wird immer noch bestrahlt.
Da die PD-1-Blockade sich bei der Behandlung von rückfälligen Hodgkin-Lymphomen als wirksam erwiesen hat und sie gut verträglich ist, sollte in der Studie S1826 der Einsatz von Nivolumab bei neu diagnostizierten Patienten mit Hodgkin-Lymphomen der Stadien III-IV überprüft werden.
Studienaufbau
994 Patienten mit klassischem Hodgkin-Lymphom im Stadium 3 oder 4 über die gesamte Altersspanne hinweg, d. h. ab 12 Jahren und ohne Altersobergrenze wurden in die Studie aufgenommen, randomisiert und entweder mit Nivolumab und AVD (Doxorubicin, Vinblastin, Dacarbazin an den Tagen 1 und 15) oder mit Bv-AVD jeweils sechs Zyklen lang behandelt. Empfänger von BV-AVD mussten eine G-CSF-Neutropenie-Prophylaxe erhalten, während dies bei N-AVD optional war.
Länger progressionsfrei leben mit handhabbaren Nebenwirkungen
Bei der geplanten zweiten Zwischenanalyse von S1826, die bei 50 % der gesamten PFS-Ereignisse lag, zeigte sich, dass Nivolumab-AVD das progressionsfreie Überleben im Vergleich zu Brentuximab Vedotin in Kombination mit AVD als Erstbehandlung des klassischen Hodgkin-Lymphoms im fortgeschrittenen Stadium verbesserte, und zwar mit einer 1-Jahres-PFS von 94 % gegenüber 86 % mit Brentuximab.
Die Rate der hämatologischen AE des Grades (gr) ≥ 3 betrug 48,4 % nach N-AVD im Vergleich zu 30,5 % nach BV-AVD, wobei zu berücksichtigen ist, dass alle BV-AVD-Patienten den GCSF-Support erhalten hatten. Die Raten (alle Grade) von febriler Neutropenie (5,6% N vs. 6,4% BV), Pneumonitis (2,0 % N vs. 3,2 % BV), ALT-Erhöhung (30,7 % N vs. 39,8 % BV) und Kolitis (1 % N vs. 1,3 % BV) waren ähnlich. Hypo-/Hyperthyreose war häufiger nach N-AVD (7 %/3 % N vs. < 1 % BV), während periphere Neuropathie (jeglicher Grad) häufiger nach BV-AVD auftrat (sensorisch: 28,1 % N vs. 54,2 % BV; motorisch: 4 % N vs. 6,8 % BV). Es wurden nur wenige immunbedingte unerwünschte Ereignisse beobachtet, und weniger als 1 % der Patienten erhielt eine Strahlentherapie, was eine große Veränderung gegenüber den pädiatrischen Studien darstellt, die zeigten, dass die Mehrheit der pädiatrischen Patienten auch bei fortgeschrittener Erkrankung eine Strahlentherapie erhielt.
Auf dem Weg zum neuen Therapiestandard
Die Nachbeobachtung läuft noch, um die Dauer des PFS zu bestätigen, das Gesamtüberleben zu bewerten und die von den Patienten berichteten Ergebnisse zu beurteilen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ist Nivolumab-AVD jedoch auf dem besten Weg, eine neue Standardtherapie für die Behandlung des klassischen Hodgkin-Lymphoms im fortgeschrittenen Stadium über das gesamte Altersspektrum hinweg zu werden. Dies ist auch ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung der Therapie des klassischen Hodgkin-Lymphoms bei Kindern und Erwachsenen.
Dr. Annette Junker
Quelle: Herrera AF. SWOG S1826, a randomized study of nivolumab(N)-AVD versus brentuximab vedotin(BV)-AVD in advanced stage (AS) classic Hodgkin lymphoma (HL). Plenary Session (LBA4), ASCO Annual Meeting 2023
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