Eine neue Veröffentlichung zeigt, wie gut die HPV (Humane Papillomviren)-Impfung bei Jungen nur drei Jahre nach Einführung der Impfempfehlung durch die STIKO (Ständige Impfkommission) angenommen wurde – verdeutlicht aber zeitgleich die negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die HPV-Impfung bei Jungen und Mädchen. Die Studie untermauert, dass ein Aufklärungsbedarf besteht, damit die Impfraten verbessert werden können.
Humane Papillomviren sind so verbreitet, dass sich die meisten Frauen und Männer im Laufe ihres Lebens anstecken [1]. Dabei erkranken jährlich etwa 7.850 Menschen in Deutschland an Krebs, der auf eine Infektion mit HPV zurückzuführen ist [2]. Bestimmten HPV-assoziierten Krebsvorstufen und Genitalwarzen kann durch eine frühzeitige HPV-Impfung je nach verwendetem HPV-Impfstoff vorgebeugt werden [3].
Impfraten bei Jungen angestiegen aber immer noch im Rückstand
Seit 2007 empfiehlt die STIKO die HPV-Schutzimpfung für Mädchen im Alter von 12-17 Jahren und seit 2014 für das Alter 9-14 Jahre [4, 5]. Im Jahr 2018 erfolgte die Empfehlung für 9-14-jährige Jungen [6]. Dabei wird die HPV-Impfung von den gesetzlichen und in der Regel auch den privaten Krankenkassen übernommen [6].
Die erste Studie, die die monatliche Inanspruchnahme der ersten HPV-Impfdosen nach Einführung der STIKO-Empfehlung beschreibt, zeigt die Impfdynamik während der COVID-19-Pandemie [7]. Nur vier Monate nach der Einführung der Kostenerstattung der Impfung für Jungen war die monatliche Impfquote für die Erstimpfung bei Jungen mit denen von Mädchen vergleichbar und übertraf diese sogar in einigen der folgenden Monate [7].
Somit war die Inanspruchnahme der Impfung für die Jungen höher so kurz nach der Empfehlung und Einführung der Erstattung. Dennoch war die Anzahl der ungeimpften Jungen höher als die der Mädchen, weil die HPV-Impfung für Mädchen schon seit vielen Jahren empfohlen und erstattet wird. Ende 2021 betrug die kumulative Impfrate bei 15-jährigen Jungen (Geburtsjahrgang 2006) 44,4 % für die erste Impfdosis und nur 26,4 % für eine vollständige Impfung [7].
Auswirkungen der Pandemie auf Impfraten bei Jungen und Mädchen
Die Zahl der pro Monat verabreichten HPV-Impfdosen ist bei deutschen Jugendlichen während der COVID-19-Pandemie 2020/2021 im Vergleich zu den gleichen Monaten im Jahr 2019 erheblich gesunken [7]. Insgesamt fanden die wenigsten Impfungen 2020 während des ersten Lockdowns statt [7]. Bei den Erstimpfungen waren es 2021, im Vergleich zu 2019, bei Jungen bis zu 71 % und bei Mädchen bis zu 60 % weniger [7]. Dem liegt vermutlich die vermehrte Verschiebung von Routineimpfungen zu Grunde [7]. Grund dafür ist vor allem die Bereitstellung von COVID-19-Impfungen in Arztpraxen im Jahr 2021, was auch zum beobachteten Rückgang der HPV-Impfungen beigetragen hat [7]. Des Weiteren zeigen Krankenkassendaten, dass deutlich weniger Menschen während der Pandemie Arztbesuche wahrgenommen haben [7]. Zu Studienende hatten 40 % der 15-jährigen und 58 % der 18-jährigen Jungen nicht die 2019 begonnene HPV-Impfung abgeschlossen [7]. Surveillance Daten des RKI zu den Mädchen zeigten, dass 24,8 % der 15-Jährigen und 20,7 % der 18-Jährigen Mädchen die in 2019 begonnene Impfserie nicht abgeschlossen hatten [7]. Zudem konnte aufgezeigt werden, dass Kinderärzte die meisten HPV-Impfungen vornahmen, nämlich 61 % der Erstdosen bei den 9- bis 14-jährigen Mädchen und 77 % bei Jungen [7]. Bei den 15- bis 17-jährigen hingegen sind es vermehrt Allgemeinmediziner und bei Mädchen auch Gynäkologen [7].
Vollständiger Impfschutz als Ziel
Die Zahl der Erstimpfungen bei Jungen zeigte mit dem Beginn der Kostenerstattung im Jahr 2019 einen dynamischen Anstieg [7]. Dieser wurde, wie auch die Zahl der Erstimpfungen bei Mädchen, durch die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie gebremst [7]. Diesen Rückstand gilt es wieder aufzuholen [7]. Denn Daten aus Ländern mit einer hohen HPV-Impfquote bei Mädchen zeigten, dass durch Herdenprotektion die Inzidenz von HPV-Infektionen und bestimmten HPV-bedingten Erkrankungen bei ungeimpften Jungen bzw. Männern deutlich gesenkt werden konnte [6].
Behandelnde in der Schlüsselrolle
Um die Impfung bei älteren Kindern nicht zu verpassen, bevor sie aus der Kostenerstattung herausfallen, ist es hilfreich, wenn Behandelnde sich ihrer Schlüsselrolle bewusst sind und die HPV-Impfung in ihrer Praxis implementieren [7]. Sie können dabei helfen die Impfungen nachzuholen, die während der COVID-19-Pandemie versäumt wurden. Denn eine Herdenimmunität in Deutschland kann auch nur durch eine höhere Impfquote bei Jungen erreicht werden [7, 8]. Der beschriebene Rückgang der HPV-Erstimpfungen während der COVID-19-Pandemie verschärft das Problem der geringen Impfquoten und erfordert zusätzliche Maßnahmen wie beispielsweise erweiterte Impf- und Aufklärungskampagnen [7]. Aus Überlegungen zur Erhöhung der HPV-Impfquote in Deutschland geht hervor, dass Aufklärung besonders im Fokus stehen sollte [7]. Eine populationsbasierte Umfrage zeigte, dass zwar immerhin 64 % der Erwachsenen in Deutschland von HPV gehört haben, aber nur 45 % von ihnen bekannt war, dass es Impfstoffe zur Vorbeugung einer HPV-Infektion gibt [7].
Warum die Impfung auch für Jungen so wichtig ist
In Deutschland sterben täglich 4 Frauen an Gebärmutterhalskrebs [9]. Aber HPV-Infektionen sind nicht nur für Frauen ein Risiko, sondern betreffen auch Männer. Eine Publikation aus dem Jahr 2017 zeigte u. a. die geschätzten jährlichen HPV-assoziierten Neuerkrankungen bei Männern in Europa und bestätigt, dass auch Männer daran schwer erkranken können, beispielsweise an Analkrebs [10].
Jungen bzw. Männer können sich nicht nur mit HPV anstecken und möglicherweise schwer daran erkranken, sondern können die Viren auch weitergeben. Mit einer Impfung kann nicht nur bestimmten HPV-bedingten Erkrankungen vorgebeugt werden, sondern auch die Übertragung auf Partnerinnen unterbrochen werden, womit auch Männer einen Beitrag zur Bekämpfung des Zervixkarzinoms leisten können [6].
Eine Impfquoten zugrunde liegende Modellberechnung ermittelte, dass durch die HPV-Impfung von Mädchen die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs im Verlauf der nächsten 100 Jahre in Deutschland um mehr als die Hälfte gesenkt werden kann, was 163.000 weniger Erkrankungen bedeuten würde [11]. Würde man bei Jungen eine vergleichbare Impfquote erreichen, könnten zusätzlich mehr als 76.000 weitere HPV-bedingte Krebsfälle bei Frauen und Männern in Deutschland verhindert werden [11].
Literatur:
- Gesundheitsinformation.de. IQWiG HPV 2021: Gebärmutterhalskrebs, HPV . (https://www.gesundheitsinformation.de/humane-papillomviren-hpv.html). Zugegriffen am 01.03.2023
- Zentrum für Krebsregisterdaten. Häufigkeit HPV-bedingter Krebsarten in Deutschland; 2018. (https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Kurzbeitraege/Archiv2018/2018_3_Thema_des_Monats_inhalt.html). Zugegriffen am 15.02.2023
- Fachinformation GARDASIL 9®, Stand November 2021
- RKI. Epid Bull 2007; (12): 97-103
- RKI. Epid Bull 2014; (35): 341-7
- RKI. Epid Bull 2018; (26): 233-50
- Wähner C et al. Uptake of HPV vaccination among boys after the introduction of gender-neutral HPV vaccination in Germany before and during the COVID-19 pandemic. Infection 2023: 1–12
- Lehtinen M et al. Eradication of human papillomavirus and elimination of HPV-related diseases – scientific basis for global public health policies. Expert Rev Vaccines 2019; 18(2): 153–60
- Zentrum für Krebsregisterdaten. Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom). (https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Gebaermutterhalskrebs/
gebaermutterhalskrebs_node.html). Zugegriffen am 20.02.2023 - Hartwig S et al. Estimation of the overall burden of cancers, precancerous lesions, and genital warts attributable to 9-valent HPV vaccine types in women and men in Europe. Infect Agent Cancer 2017; 12: 19
- Robert Koch-Institut (RKI). Kurz & Knapp: Faktenblätter zum Impfen: HPV-Impfung; 2019. (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Faktenblaetter/HPV.pdf?__blob=publicationFile). Zugegriffen am 15.02.2023
Quelle: Pressemitteilung MSD Deutschland
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